Liebe Freundinnen und Freunde aus St. Quentin-Fallavier und Gallicano nel Lazio, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, verehrte Gäste!
Als „Botschafter ehrenhalber“ hat der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Menschen bezeichnet, die sich in Städtepartnerschaften engagieren. Ein wahres Wort, wie sich immer
wieder gezeigt hat. Denn einerseits haben diese Menschen, die die Partnerschaft zu ihrem eigenen Anliegen machen, eine Botschaft zu verkünden. Und andererseits haben sie diplomatisches Geschick an
den Tag gelegt, um Verständigungsprozesse in Gang zu setzen oder wieder anzukurbeln.
Seit 1971 besteht die Partnerschaft St. Quentin-Fallavier/Freigericht; also seit 40 Jahren. Dazu möchte ich Ihnen als Bürgermeister der Gemeinde Freigericht ganz herzlich gratulieren. In dieser
langen Zeit, haben viele „Botschafter“ die Partnerschaft gelebt, intensiviert und zu dem gemacht, was sie heute ist. Zahlreiche Menschen haben die Beziehungen zwischen den beiden Kommunen mit Leben
erfüllt. Daraus ist entstanden das Gefühl, gute alte Bekannte zu treffen und vertraute Stätten wieder zu sehen. Die Partnerschaft ist damit ein wichtiger Teil des kommunalen Alltags geworden. Das
liegt nicht zuletzt daran, dass die „Botschafter der ersten Stunde“ ihre Mission erfüllt haben. Heute lässt sich mit Fug und Recht von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Und das gilt auch ganz
allgemein für Städte- und Gemeindepartnerschaften.
Heute können wir feststellen, dass wir in Europa dem Ziel der ersten Stunde sehr nahe gekommen sind: Westeuropa blickt auf die längste Friedensperiode zurück, die unser Kontinent je gekannt hat; und
in den Prozess des Zusammenwachsens sind nun auch die osteuropäischen Länder einbezogen. Es hat viele Gründe, dass die Länder sich verständigt haben – dazu beigetragen haben jedoch auf jeden Fall
auch die Partnerschaften zwischen den Kommunen, die eine Verständigung auf ganz persönlicher Ebene ermöglicht haben. Diese Partnerschaften waren von Beginn an nicht bloß eine Angelegenheit von
Funktionsträgern. Nein, diese Partnerschaften lebten und leben davon, dass die Menschen der Kommunen zu Partnern werden.
Sie, liebe Bürger von St. Quentin-Fallavier und Freigericht haben seit 1971 ein sehr dichtes Netz persönlicher Bindungen geknüpft. Begegnungen aller Art haben stattgefunden, zwischen Schülern,
Sportlern und Musikvereinen, unterschiedlichsten Organisationen und selbstverständlich auch zwischen kommunalen Vertretern. Dieser Erfahrungsaustausch und vor allem die Besuche in Gastfamilien haben
dazu beigetragen, den Alltag im anderen Land aus nächster Nähe kennen zu lernen und mitzubekommen, was die Menschen bewegt. Natürlich sind wir heute durch die Medien recht gut informiert, doch das
direkte Gespräch ist eben durch nichts zu ersetzen!
Städte- und Gemeindepartnerschaften sind gelebte Demokratie, denn sie beruhen auf der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Diese „Botschafter ehrenhalber“ leisten, wie aufgezeigt, sehr viel, doch
sie gewinnen auch viel durch ihr Engagement für die Partnerschaft. So hat das Komitee für Europäische Verständigung seit seiner Gründung nur gewinnen können: am 25. März 1969 wurde der Verein von der
Gemeindevertretung Altenmittlau offiziell bestätigt und beauftragt, sich im Namen der Gemeinde für den Gedanken der europäischen Verständigung einzusetzen und die Beziehungen mit unseren
französischen Freunden zu fördern. Nach dem Zusammenschluss der fünf ehemals selbständigen Ortsteile zur „Großgemeinde Freigericht“ zum 01.01.1970 stimmte das Gemeindeparlament mit dem damaligen
Bürgermeister Dr. Theis einer alsbaldigen Verschwisterung mit St. Quentin-Fallavier zu. An Pfingsten 1971 konnte die Verschwisterung feierlich in Altenmittlau (1 Jahr später dann in Frankreich)
verkündet werden. Liebe Mitglieder des Komitees: im Namen der gemeindlichen Gremien und auch persönlich danke ich Ihnen recht herzlich für Ihr jahrzehntelanges Engagement.
Der erste gewählte Bürgermeister Freigerichts, Dr. Theis, drückte 1971 in seinem Grußwort zur Verschwisterung „aufrichtige Freude und große Genugtuung“ aus und wünschte sich, „dass unsere Gemeinden
in einer friedvollen Zukunft zu einer echten und dauerhaften Freundschaft finden“. Und weiter: „Brücke zu sein zwischen dem französischen und dem deutschen Volke, Brücke der Verständigung und der
Freundschaft für eine gemeinsame Zukunft, darin sieht die Gemeinde Freigericht eine vornehme und gerne übernommene Aufgabe“. Meinem frühen Amtsvorgänger ist nichts mehr hinzuzufügen und gilt heute
ebenso für die Erfolgsgeschichte, die sich nun mit der Verschwisterung mit Gallicano nel Lazio fortsetzen wird. „Wir wissen, dass unsere Patengemeinde mit dem gleichen Willen diese Partnerschaft
eingeht. Somit wird unser Verhältnis zu einem Geben und einem Nehmen, zu einem fruchtbaren Austausch werden“, auch dieses sagte Dr. Theis, was ebenso auf den Festakt zur Verschwisterung mit unseren
italienischen Freunden übertragbar ist. Die Verbindung der Herzen, die Verständigung auf allen Gebieten des menschlichen Lebens wird nach Frankreich nun auch mit Italien möglich sein. Da ist es
geradezu eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass die Freigerichter Gemeindevertretung bei ihrer Sitzung am 23.09.2010 der Verschwisterung mit Gallicano nel Lazio fraktionsübergreifend zugestimmt
hat.
Wir freuen uns schon heute auf die Ausgestaltung und Belebung der Freundschaft nach dem förmlichen Akt der Verschwisterung: Wir lernen nicht nur neue Menschen und neue Sichtweisen kennen, wir erleben
vor allem, dass wir selber etwas bewirken können. Und das ist gerade heute von großer Bedeutung, wo viele Entscheidungen nicht mal mehr auf nationaler Ebene fallen, geschweige denn auf kommunaler.
Die Vertiefung der Freundschaft zwischen den drei Ländern ist von hohem geschichtlichen, politischen und ethischen Wert, finde ich, was wir in angemessener Form feiern wollen!
Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen und erlebnisreichen Aufenthalt hier in Freigericht, viele Gespräche, die Möglichkeit neue Menschen kennen zu lernen und alte Freundschaften zu vertiefen. Und
den drei Gemeinden wünsche ich eine dauerhafte und gute Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.
Joachim Lucas, Bürgermeister